„Alle Facetten professioneller Chorarbeit vermitteln“
Christian Schmid, der neuen Chorleitungsprofessor an der Hochschule für Kirchenmusik in Rottenburg im Gespräch mit Luise Wunderlich
L.W.: Lieber Christian, Du bist nun seit dem ersten Oktober hier an der Hochschule für Kirchenmusik in Rottenburg Professor für Chorleitung, im Semester davor hast Du schon hier unterrichtet, Du hast also schon einen guten Einblick in das Geschehen hier an der HfK, wie gefällt es Dir hier?
C.S.: Gut, sehr gut! Es macht Freude, hier zu sein!
L.W.: Du kehrst hier an den Ort Deiner Kindheit zurück, und hier sind auch Deine musikalischen Wurzeln?
C.S.: Ich bin in Stuttgart geboren und in Rottenburg aufgewachsen, nachdem mein Vater hierher an die Hochschule kam. Meine Mutterhat als Stimmbildnerin an der Domsingschule gearbeitet, mein Vater war Schulmusiker, dann Professor später Rektor der HfK – und unsere Eltern haben uns Kinder natürlich musikalisch gefördert, ich habe Geige, Klavier und später Orgel gespielt. Und ich kam früh zur Domsingschule. Das war ein guter Ort, nicht nur musikalisch. Wir hatten mit Harald Kugler einen Chorleiter, der einerseits im Musikalischen sehr, sehr anspruchsvoll war und der uns andererseits immer das Gefühl gegeben hat, dass es gut ist, dass wir kommen und dass er sich darüber freut. So haben wir uns immer wertgeschätzt gefühlt. Es sind dort tragfähige Freundschaften entstanden, die zum Beispiel auch geholfen haben, wenn man mal keine Lust aufs Singen hatte. Die Arbeit an der Domsingschule wurde dann von Frank Leenen genauso fortgeführt, da war ich im Jugendalter. Und ich dachte oft, wenn ich zur Probe gelaufen bin, dass das eigentlich ein Traumjob ist, was Frank Leenen macht und Harald Kugler gemacht hat. Für diese Zeit bin ich zutiefst dankbar, denn sie hat den Grundstein gelegt für alles, was danach kam. Ich bin dann eben nicht Baggerfahrer oder Pianist geworden, wie ich das als kleines Kind immer wollte, sondern Kirchenmusiker.
L.W. Du hast dann in Stuttgart studiert.
C.S. Ja! Mein Orgellehrer Jon Laukvik hat mich immens beeindruckt. Trotzdem habe ich recht schnell gemerkt, dass in der Ensembleleitung mein größtes Talent steckt. Dieter Kurz war damals Chorleitungsprofessor und eine Institution im Stuttgarter Musikleben. Er hat mich gefördert. Die Ausrichtung war also relativ schnell klar. Damals war das Studium nicht ganz so verschult wie heute, man konnte leichter eigene Schwerpunkte setzen. Ich habe nebenher noch lange Schulmusik studiert, einen Musiklehrerabschluss für Tasteninstrumente gemacht, ein B-Examen, ein A-Examen in der Kirchenmusik. Und dann habe ich das Dirigieren in einem Chorleitungsstudium vertieft. Die Frage Kirchenmusik oder nicht, habe ich mir lange offen gehalten, aber es hat sich natürlich abgezeichnet. Und dann hatte ich gegen Ende meines Studiums großes Glück: In Stuttgart war die Dommusik am Entstehen, die Domsingschule ist neu gebaut worden und Martin Dücker, der visionäre Domkapellmeister hat das alles initiiert und vorangebracht. Ich wurde sein Assistent. Ich hatte schon vorher einige Male Vertretungen gemacht und kam also frisch vom Studium mit einer 80% Stelle als Domkantor, die neu eingerichtet wurde, an den Stuttgarter Dom.
L.W.: Und was hattest Du dort für Aufgaben?
C.S.: Weil alles so neu gewesen ist, hat sich vieles erst ergeben. Die Chorarbeit haben wir aufgeteilt. Martin Dücker war ein großes Vorbild. Er hat den Domchor und die Mädchenkantorei geleitet. Im Mädchenchor habe ich zwei Gruppen übernommen dazu die Leitung der Domkapelle, des Kammerchores. Michael Brock ist damals Stadtdekan gewesen, er hat viel ermöglicht und uns sehr vertraut. Es war eine Zeit, in der viel bewegt worden ist. Dass ich Teil davon war, dass mir Martin Dücker und Michael Brock vertraut haben, hat mich wachsen lassen.
L.W.: Und wann hast Du den Lehrauftrag an der Stuttgarter Musikhochschule gekommen?
C.S.: Das war auch noch in dieser Zeit, ich war ungefähr 30.
L.W.: Und dann muss ja mitten in diesem erfüllten Leben mit der Wohnung in der Stuttgarter Königstraße mitten im Zentrum, der Arbeit in der Domsingschule und der Familiengründung auch noch die Lust gekommen sein, die Fühler weiter auszustrecken!
C.S.: Ja, ich bin ein großer Stuttgart-Fan, das ist so eine große Chor- und Kulturstadt! Aber irgendwie habe ich gespürt, dass ich nicht immer Assistent bleiben will, dass es an der Zeit ist, mehr Verantwortung zu übernehmen und auch musikalisch die großen Aufgaben anzugehen. Würzburg ist eine der ganz großen Stellen in der katholischen Kirche in Süddeutschland, davor hatte ich großen Respekt. Dann habe ich die Stelle tatsächlich bekommen und wir sind nach fast zehn Jahren am Dom weggezogen. Und in Würzburg konnte ich dann das machen, was mir noch gefehlt hat: Dirigieren, dirigieren, dirigieren! Eine große Dommusik, für die ich auch die Personalverantwortung gehabt habe. Vorher hatte ich Mädchen im Chor, in Würzburg dann Knaben. Insgesamt waren vielleicht 500 – 600 Leute in den Chören und Ensembles. Eine große Fülle und eine große Verantwortung! Das versuche ich, unseren Studierenden im Chorleitungsunterricht auch zu vermitteln: Chorleitung ist nicht nur das rein Musikalisch-Dirigentische, sondern auch, wie es ein Kollege einmal genannt hat: vielfältige Beziehungsarbeit. Ich muss jedem das Gefühl geben: Schön, dass du da bist! Und mich ehrlich freuen, dass die Leute zum Singen kommen.
L.W.: Zusammen singen gibt auch ein Gefühl von Heimat?
C.S.: Ja genau! Aber, wenn man das 500 Leuten beständig vermitteln will, kann es auch sehr anstrengend werden. Ich musste lernen, auch schmerzlich lernen, mit meinen Kräften hauszuhalten. Das sage ich ganz offen. Ein wichtiger Prozess, dieses Lernen, auf den eigenen Körper zu hören, auch sich selbst zuzuhören und nicht nur den anderen. Zum Glück hat mich die Diözesanleitung in dieser Phase unterstützt und mir das Gefühl gegeben, wir wollen nicht irgendeinen Chorleiter, der seinen Dienst macht, sondern wir wollen unseren Christian Schmid. Das hat mir Rückhalt gegeben. Dann habe ich den Lehrauftrag, den ich mittlerweile an der Würzburger Musikhochschule hatte, aufgegeben und mit mehr Achtsamkeit für mich selbst weiter gearbeitet.
L.W.: Und dann kam Corona?
C.S.: Und dann kam Corona und hat so vieles verändert, dass ich es auch als eine Zäsur für mich erlebt habe. Und während die Chorarbeit fast zum Erliegen gekommen ist, hat sich in mir etwas bewegt, das dazu geführt hat, dass ich mir -auch diesmal nach fast zehn Jahren- noch einmal einen Wechsel vorstellen konnte.
L.W.: Und den Lehrauftrag in Stuttgart hattest Du die ganze Zeit über?
C.S: Ja. Diesen Lehrauftrag habe ich behalten, am Anfang war ich ja kaum älter als die Studierenden, es war schön zu spüren, dass das funktioniert, fachlich und menschlich. Ich habe so ab einem frühen Zeitpunkt meines Berufslebens meine eigene Arbeit als Chorleiter reflektiert. Und ich habe mich inspirieren lassen sowohl von den tollen Musikern, die meine Kollegen wurden als auch von den Studierenden selbst. Das hat mir auch unglaublich viel Positives für den Dienst in Würzburg gebracht. Dazu kommt ein menschlich und fachlich vertrauensvolles Verhältnis zu den Kollegen in Stuttgart vor allem Prof. Denis Rouger, Prof. Richard Wien und Salome Tendies. Nach ein paar Jahren im Lehrauftrag hat mir die Hochschule dann die Honorarprofessorenwürde verliehen und mir damit auch mehr Verantwortung übertragen. Das war eine schöne Bestätigung!
L.W.: Du hast viel Erfahrung einerseits im Chöre Leiten und andererseits in der Ausbildung von Chorleitern. Was macht für Dich den Unterschied aus in der Arbeit mit den Studierenden?
C.S.: Ja, ich habe alle Facetten von professioneller Chorarbeit im Rahmen der Kirche erlebt. Ich weiß gar nicht, ob es so viele Unterschiede gibt. Es ist mir wichtig, dass in der Ausbildung das Chorpädagogische von Beginn an mit gedacht wird. Besonders zu Beginn des Studiums muss man infiziert werden für das Medium Chor: Was ist das? Was bedeutet Klang, wie höre ich, wie sehe ich, welche Möglichkeiten gibt es, um einen Chor zum Klingen zu bringen? Wie probe ich freundlich, wertschätzend und effizient?
Chordirigieren ist zunächst Nachdenken über Musik und 80% Partiturlesen, verstehen, innerlich hören und dann, je nach Stilistik und Chor, die richtigen und wesentlichen Schlüsse daraus ziehen. Und dann kommt die Frage, wie bringe ich das in eine Probe? Wie baue ich die Probe auf? Dann: Wie kommuniziere ich? Dass ich niemandem zu nahe trete, aber auch nicht in ein „alles schön“ verfalle. Eine professionelle Diktion, eine professionelle Disposition, eine professionelle Vorbereitung. Und dann ist das Faszinierende bei den Studierenden, dass jeder einen anderen Zugang zur Musik hat. Dirigieren ist für mich wie das auch im Singen ist: Das Innere nach außen kehren. Und bei allem technischen Repertoire, das man sich aneignen muss, Schlagbilder, Zäsuren, Fermaten etc., geht es im Grunde um einen Personalstil. Erst dadurch wird man als Dirigent authentisch. Ich lese viel in der Partitur mit den Studierenden und ich frage sie, was sie wollen, was das bedeutet, natürlich auch stilistische Kriterien, Bach oder Schütz, wie phrasiert man? Oder Reger im Unterschied? Dass man sich darüber unterhält oder austauscht, denn die Studierenden bringen ja auch etwas mit. Und das wird dann für beide Seiten fruchtbar.
L.W.: Was macht eine Dirigentenpersönlichkeit für Dich aus?
C.S. Für mich sind das drei Pole: man muss die Schlagtechnik beherrschen, man muss die Pädagogik beherrschen, also die Chorpädagogik, die Probenpädagogik und das Kommunikative, die Kommunikation. Es ist nicht ganz einfach, das alles zusammenzubringen Es gibt Leute, die dirigieren fantastisch, können aber überhaupt nicht proben oder es gibt Leute, die proben fantastisch, die schlagen fantastisch, kommunizieren aber so, dass keiner mehr Lust hat zu singen. Es gibt Leute die kommunizieren fantastisch, die proben fantastisch und können überhaupt nicht schlagen. Man muss wissen, dass es sehr schwierig ist, alles auf gleichem Niveau hinzubekommen. Natürlich habe ich im Kontext Hochschule und Chorleiterausbildung auch einen Kriterienkatalog in puncto Schlagtechnik, Probentechnik und Kommunikation, den es zu beachten gilt. Aber im Zentrum des Tuns muss die Musik stehen. Dabei sind die Studierenden sehr unterschiedlich, das macht das ganze auch so spannend! Man spürt immer, wenn sich jemand ehrlich in den Dienst der Musik und der Partitur stellt und natürlich auch, wenn nicht!
L.W.: Wie gefällt Dir denn unserer Hochschule, nachdem Du lange weg warst?
C.S. Ich kenne das Haus ja schon ganz lange, seit meiner Kindheit. Später habe ich hier meine Frau kennengelernt, die hier die C-Ausbildung gemacht hat. Die Hochschule ist für mich deshalb ein Stück Heimat, auch wenn inzwischen andere Personen hier sind und meine Rolle eine ganz andere ist. Ich bin begeistert von der Renovierung, dass es hier so hell und offen geworden ist. Dadurch hat die Hochschule wahnsinnig gewonnen! Ich finde es toll, dass sich die Diözese ihrer Ausbildung bewusst ist und dass sie sich ihrer Musik bewusst ist und eine Musikhochschule unterhält. In diesen Zeiten ist das ein starkes Signal. Das tut gut und bringt natürlich auch die Verantwortung, dass man hier anpackt, damit das Haus auch lebendig bleibt.
Wir stehen heute mit anderen Hochschulen in einem Konkurrenzkampf um die Studienbewerber. Das ist nicht nur im Fach Kirchenmusik und in Rottenburg so, das ist überall so inzwischen. Die Gründe sind vielfältig: Der demographische Wandel, die Corona-Krise, die wirtschaftliche Unsicherheit. Wer heute überlegt, die Aufnahmeprüfung an einer Musikhochschule zu machen, hat die letzten zwei Jahre nur eingeschränkt Unterricht gehabt, hat gesehen, was in der Corona-Zeit mit der Kunst passiert ist. Viele entscheiden sich im Moment deshalb gegen eine Musikstudium. Die Probleme der Kirche kommen natürlich noch hinzu. Deshalb müssen wir natürlich auch schauen, wo wollen wir hin mit der Hochschule, was macht uns aus? Was macht uns besonders? Dabei sind auch unsere Absolventen wichtig. Wenn sie die Hochschule verlassen und sagen, ich hatte tolle Jahre hier an der HfK, dann schicken sie uns später eventuell auch ihre Schüler wieder. Und auch die C-Ausbildung birgt große Chancen. Und wir müssen das Studium, das Profil unserer Hochschule so gestalten, dass es attraktiv und lohnend ist, hier zu studieren.
L.W.: Was kannst Du mit Deinem Fach Chorleitung da bewirken?
C.S.: Wir müssen uns überlegen, was machen wir für die Diözese, wie werden wir wahr genommen, was bringt der Diözese dieses Haus? In der Chorleitung ist es mein Ziel, den Studierenden möglichst viel mit auf den Weg zu geben. Wir müssen regionale Kooperationspartner suchen. Ich bin gerade dabei, eine Kooperation mit einem sehr guten Tübinger Kammerchor, den eine Kollegin leitet, zu planen. Es ist mittlerweile sehr schwierig geworden, die Kirchenmusikstellen gut zu besetzen. Große, gut dotierte Stellen werden manchmal dreimal ausgeschrieben. Damit das nicht passiert, sollen die Studierenden möglichst gut auf die spätere Praxis vorbereitet werden. Die jetzigen Studierenden haben allerbeste Berufsaussichten, alle bekommen einen Job. Sie müssen sich vorbereitet fühlen, auch für die großen Stellen. Das heißt zuallererst: In der Hochschule müssen wir das künstlerische Niveau entsprechend hochhalten. Dann: Wie vernetzen wir uns? In der Region? Mit unserem Partner, der evangelischen Hochschule für Kirchenmusik Tübingen, und auch hier in Rottenburg selbst? Gerade die Kooperation mit Tübingen würde ich gerne ausbauen. Für die Ensembleleitung aber auch für die Ökumene sehe ich da noch großes Potential. Auch eine Kooperation mit einem Orchester wäre wünschenswert. Wir musizieren in diesem Semester die Johannespassion in zwei Konzerten, von denen eines Studierende dirigieren. Auch das Profil in Richtung alte Musik möchte ich schärfen. Wenn Studierende die Hochschule verlassen, können sie natürlich nicht alles dirigiert haben, aber wir als Hochschullehrer müssen ihnen zeigen, wo die Türen sind und wie sie aufgehen: So arbeite ich mit einem Solistenensemble, so arbeite ich mit einem Kinderchor, so arbeite ich mit einem Erwachsenenchor, so arbeite ich mit einem semiprofessionellen Kammerchor, so arbeite ich mit einem Barockorchester. Ich weiß natürlich, dass das zeitintensiv ist, dass man das auch behutsam machen muss, weil nicht alle das wollen, etwa weil die Schwerpunkte anders liegen. Aber es ist wichtig, denn die Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker später müssen vielseitig sein. Und als Chorleitungsprofessor bin ich selbstverständlich überzeugt, dass die meisten Stellen in der Kirchenmusik in der Chorprobe vergeben werden. Deshalb ist das Fach mit seinen vielen Facetten so wichtig.
L.W.: Wo siehst Du denn die Chancen unserer kleinen Hochschule?
C.S.: Die größte Chance hier ist natürlich, dass wir auf unsere Studierenden hier sehr individuell eingehen können. Wo haben sie ihre Stärken, wo ihre Schwächen? In unserem Mentoring System, unterhalten wir uns als Dozenten und fragen uns, wie fördern wir den Einzelnen ohne ihn zu überfordern. Und wir überlegen, wie müssen wir uns kümmern, dass sie dann auf den Stellenmarkt gehen und sagen: Ja, ich bin bereit, ich habe das Wesentliche für den Beruf mitgenommen. An den großen Staatlichen Hochschulen kann man natürlich in verschiedene andere Abteilungen schauen, aber man ist auch einer unter vielen, unter hunderten. Ich habe erlebt, dass Studierende manchmal aufgeben oder auch, dass sie die Hochschule wechseln, um dann an einer kleineren Hochschule ihre Begabung adäquat zu entwickeln. Hier bei uns ist es ein bisschen wärmer. Das ist die Hauptchance. Etwas, dass dem englischen Modell eines ganzheitlichen Studiums auf einem Campus nahe kommt. Ich finde, unsere Hochschule hat ein bisschen diesen Harvard- oder Cambridgecharakter: kurze Wege, den Studierenden begegnen, den Dozenten und Dozentinnen begegnen. Man hat hier das Gefühl, es ist ein großes Ganzes und das finde ich sehr charmant! Außerdem muss die C-Ausbildung auf einer soliden Basis stehen, so dass immer wieder Leute danach ins Bachelor-Studium gehen. In der internen C-Ausbildung im Haus, kann man so etwas wie Studienluft schnuppern. Eine staatliche Hochschule kann das nicht bieten.
L-W.: Das finde ich auch toll an der Hochschule, diese Grundwärme, dass die Leute hier wohnen können, aufgehoben sind und so studieren dürfen. Noch eine andere Frage, kannst Du Dir vorstellen, dass die Hochschule noch mehr nach außen wirkt?
C.S.: Wir haben bereits dieses schöne Format der Musik zur Marktzeit, wo Studierende donnerstags um 11.00 Uhr im Rottenburger Dom spielen. Dazu kommt, dass Studierende schon einige Chöre in der Umgebung dirigieren und viele Orgeldienste übernehmen. Aber darüber hinaus könnten wir uns noch fragen: Was macht eigentlich Rottenburg und die Region stolz auf unsere Hochschule? Könnten wir noch Veranstaltungen anbieten? Welche Formate sind in der heutigen Zeit wichtig? Welche, auch spirituellen Angebote können wir entwickeln in der sich so verändernden kirchlichen Landschaft? Kann man neue Wege gehen? Welche Formate könnten wir hier exemplarisch entwerfen, vielleicht auch in Zusammenarbeit mit einem Liturgiereferat? Und auch wir Lehrende können uns in Gottesdiensten und Konzerten noch mehr zeigen. So wird das Gesicht der Hochschule nach außen erkennbarer und natürlich erleben auch die Studierenden ihre Lehrer dann als Künstler! Der geplante neue Saal wird dafür viele Chancen bieten.
L.W. Und wie sehen Deine Ideen für die Zukunft unserer Hochschule aus?
C.S. Meine Vision für das Haus ist, dass es uns gelingt, hier eine Art Campus zu entwickeln- so dass man toll über uns spricht! Dass unsere Absolventinnen und Absolventen die Zeit an der Hochschule künstlerisch und menschlich als so bereichernd erlebt haben, dass sie sich bestens vorbereitet fühlen für die vielfältigen Aufgaben des Berufs. Und dass sie gleichzeitig auch etwas mitnehmen, etwas für die Menschen, die auf der Suche sind. Denn dann hat auch Kirchenmusik und die Kirche überhaupt eine Zukunft. Wir müssen es schaffen, auch in der Kirchenmusik, Kirche für die Menschen zu sein. Ich wünsche mir, dass unsere Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker die sich verändernde Kirchen in diesem Sinne mitgestalten.
L.W.: Lieber Christian, ich danke Dir für das tolle Gespräch!
Über Luise Wunderlich
Luise Wunderlich studierte an der staatlichen Hochschule für Musik und darstellende Kunst Stuttgart bei Prof. Ulrike Meier-Hillenbrand Sprechkunst und Kommunikationspädagogik. Ein künstlerisches Aufbaustudium schloss sie mit Auszeichnung ab.
Luise Wunderlich ist seit 1999 Sprecherin beim SWR u.a. für Nachrichten und moderiert hier zudem Sendungen mit klassischer Musik.
Sie hat ein breitgefächertes künstlerisches Bühnenrepertoire mit Programmen z.B. zu Hermann Hesse, Heinrich Heine, Else Lasker-Schüler, Lou Andreas-Salomé, William Shakespeare u.a. Themenabende wie „Der Wald im Kopf“ oder „Tango international“, Performances und Chansons stehen ebenfalls auf dem Programm. Auftritte u.a. in der Stuttgarter Liederhalle, Staatstheater Stuttgart, Haydnfestspiele Eisenstadt, Ludwigsburger Schlossfestspiele, Theaterhaus Stuttgart, Kirchen, Bibliotheken, Kleinkunstbühnen, Open Airs. Mit von ihr eingesprochenen Hörbüchern war Luise Wunderlich mehrfach auf der vom hessischen Rundfunk herausgegebenen Hörbuchbestenliste.
Von 2009-2022 war Luise Wunderlich Dozentin an der Stuttgarter Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart für Haupt- und Nebenfachstudierende und ist aktuell Dozentin an der Musikhochschule in Karlsruhe. Sie arbeitet außerdem in der Aus- und Weiterbildung von Theolog*innen, kirchlichen Mitarbeiter*innen, sowie von Lehrenden, Privatleuten, Organisationen und Firmen.
Seit 2004 unterrichtet Luise Wunderlich Sprechkunst/Sprecherziehung, Phonetik und Stimmphysiologie an den Hochschulen für Kirchenmusik in Rottenburg und Tübingen.
Über Christian Schmid
Christian Schmid studierte Dirigieren, Kirchenmusik A und Musikpädagogik an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart. Zu seinen Lehrern zählten dort u. a. Prof. Dieter Kurz (Chordirigieren), Prof. Dr. Ludger Lohmann und Prof. Jon Laukvik (Orgel) sowie Wan Ing Ong (Klavier). Seine musikalische Ausbildung vervollständigte er bei zahlreichen Meisterkursen u.a. bei der Internationalen Bachakademie Stuttgart, Eric Ericson, Bernard Tétu und Thierry Escaich.
Im Anschluss an das Studium war er bis 2013 zunächst Domkantor an der Domkirche St. Eberhard in Stuttgart, der Konkathedrale der Diözese Rottenburg-Stuttgart.
Von 2013 bis 2022 war er Domkapellmeister am St. Kiliansdom in Würzburg und verantwortete mit der dortigen Dommusik eine der größten und aktivsten Einrichtungen ihrer Art in Deutschland. Er leitete dort den Würzburger Domchor, den Kammerchor am Würzburger Dom, die Würzburger Domsingknaben, zeitweise die Mädchenkantorei am Würzburger Dom und das Vokalensemble am Würzburger Dom, mit dessen Gründung er das Spektrum der Dommusik um ein professionelles Ensemble erweiterte.
Er hat sich als Chordirigent ein breitgefächertes Repertoire erarbeitet, dirigierte mit seinen Ensembles zahlreiche Oratorien und Uraufführungen und stand dabei am Pult renommierter Orchester. Im Laufe der Jahre entstanden zahlreiche Rundfunk- und Fernsehaufnahmen u. a. für ARD, ZDF, SWR, BR und den Deutschlandfunk. Konzertreisen mit seinen Ensembles führten ihn ins benachbarte europäische Ausland sowie nach Italien, Spanien, Schweden, Großbritannien und Russland.
Seit dem Jahr 2011 lehrt er das Fach Chorleitung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart, im Jahr 2018 wurde er dort in Anerkennung seiner künstlerischen und pädagogischen Leistungen zum Professor ernannt hat.
Im Jahr 2022 folgte er einem Ruf als Professor für Chorleitung an die Hochschule für Kirchenmusik der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Weitere Dozententätigkeiten führten ihn auch an die Hochschule für Musik in Würzburg und zu verschiedenen Chorverbänden.
Luise Wunderlich ist Rundfunksprecherin, Sprechkünstlerin und Dozentin. An der Hochschule für Kirchenmusik der Diözese Rottenburg-Stuttgart unterrichtet sie die Fächer Sprecherziehung, Phonetik und Stimmphysiologie.