Prof. Wolfgang Weis
„Wer improvisieren möchte, muss zunächst harmonisieren können“ (Marcel Dupré)
Über Wolfgang Weis, Professor für Musiktheorie, Orgelimprovisation und Orgelkunde
Wolfgang Weis unterrichtet seit gut drei Jahren an der Hochschule für Kirchenmusik in Rottenburg am Neckar. Das erstaunt ihn selbst, so schnell ist die Zeit vergangen. Am 1. Oktober 2019 hat der sympathische Franke seinen Dienst angetreten und widmet sich seither mit großer Begeisterung der Lehre an der Hochschule. Die braucht er auch, denn er vertritt sage und schreibe sechs Fächer: Orgelimprovisation, Gehörbildung, Tonsatz, Partiturspiel, Generalbass und Orgelbaukunde! Neben der Professur ist er seit kurzem auch Prorektor der Hochschule.
Aufgewachsen ist Wolfgang Weis praktisch in Sichtweite der berühmten Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen bei Bad Staffelstein in Oberfranken. Im kleinen, landwirtschaftlich- handwerklich geprägten Ort Ützing, in dem er aufwächst, gibt es kaum musikalische Vorbilder, doch in der Grundschule fällt die sängerische Begabung des kleinen Wolfgang gleich mehreren Lehrkräften auf. Ein Plan wird für das Kind geschmiedet und der Junge kommt zu den Regensburger Domspatzen. Dort erhält er nicht nur Stimmbildungs-, sondern auch Klavier- und Trompetenunterricht und eine fundierte musikalische Grundausbildung. Doch was studiert man anschließend wenn das Zeugnis voller guter Noten ist? Wolfgang Weis beginnt erst einmal mit Musik. Andere Fächer im sprachlichen oder naturwissenschaftlichen Bereich können ja noch folgen. Dass die anderen Fächer dann auch musikalischer Natur sind, ergibt sich bald. Dem jungen Studenten fehlt im Schulmusikstudium in Würzburg nämlich etwas ganz wichtiges: Improvisation! Dazu gehört auch harmonisches Hören und Harmonisieren, angewandter Tonsatz also- alles wird erst in den höheren Semestern gelehrt- zu spät für einen Studenten, der gerade instinktiv die richtigen Weichen für seine musikalische Begabung stellen möchte. Improvisiert wird an den Hochschulen nirgends so intensiv wie an der Orgel und im Jazz. Also nimmt Wolfgang Weis Orgelunterricht und macht erst einmal nebenher die kirchenmusikalische C-Ausbildung bei der Würzburger Diözese. Anschließend beginnt er zusätzlich zum Schulmusik- ein Kirchenmusikstudium bei Prof. Christoph Bossert. Den Tonsatzunterricht besucht Wolfgang Weis doppelt bei zwei verschiedenen Lehrern aus „Hunger nach einem praxisorientierten Theoriesystem“, wie er sagt – und er unterrichtet schon während des Studiums im Lehrauftrag das Fach „Schulpraktisches Klavierspiel“. Für ihn die wichtigsten Lehrer in diesem Bereich: Prof. Zsolt Gárdonyi und Prof. Bernd Engelbrecht. Aber auch der Jazz bekommt seinen Platz: als an der Hochschule eine neue viersemestrige Ausbildung für Jazz-Klavier bei Christine Schneider angeboten wird, ist Wolfgang Weis dabei. Die Abschlussprüfungen in Kirchenmusik und im Jazzklavier macht er während des ersten Jahres im Referendariat für Schulmusik. Volle, ja übervolle Studienjahre müssen das gewesen sein, zumal wir auch noch ein Jahr als Assistent an der Stiftsbasilika St. Martin in Landshut in dieser Zeit verorten müssen. Doch es gibt auch eine Zäsur: ein Studienjahr in Montpellier am Conservatoire, wo Wolfgang Weis sich bei Luc Antonini dem Studium der französischen Orgelmusik widmet und regelmäßig Workshops im Jazz besuchen kann.
Im Anschluss an das Referendariat tritt Wolfgang Weis die neu geschaffene A.-Kirchenmusikerstelle in Rottweil am Heilig-Kreuz-Münster an. Hier warten neue Aufgaben auf ihn. Zum einen natürlich die Aufgaben als Organist im Münster und an der Kirche Auferstehung Christi, die Leitung des Münsterchores und diözesane Aufgaben als Regionalkantor. Zudem findet Wolfgang Weis eine praktisch nicht mehr existente Mädchenkantorei Auferstehung Christi vor. Er leistet Aufbauarbeit. Dazu gehören nicht nur die Proben, liturgischen Dienste und Konzerte, deren Organisation und Durchführung, die Sorge um eine gewissenhafte Musik- und Vokalpädagogik, sondern auch strukturelle Arbeit im Förderverein, Presse- und Marketingarbeit, ein Netzwerk mit Grundschulen und Kindergärten und schließlich auch Freizeitaktivitäten des Chores, bei denen der Chorleiter nicht fehlen darf. Wolfgang Weis wird Mitinitiator und Leiter der „Rottweiler Orgelkonzerte“ sowie der Sommerkonzerte in Rottweiler Kirchen“. Darüber hinaus arrangiert und komponiert er regelmäßig Stücke für verschiedene Chorbesetzungen und Orgel und gibt Orgelkonzerte. Die Lehrtätigkeit an der Würzburger Hochschule behält er noch lange bei. Auch die Hochschule in Trossingen kann bald auf ihn zählen. Gut zehn Jahre versieht er engagiert, erfolgreich und immer bescheiden seinen Dienst in Rottweil. Hier lernt er auch seine Frau Susanne kennen und seine drei Kinder kommen hier zur Welt.
Als nach zehn Jahren der Wechsel ansteht, kann sich die Rottenburger Hochschule für Kirchenmusik auf einen neuen Professor freuen, der alle Facetten der kirchenmusikalischen Praxis auf hohem Niveau repräsentiert und der doch zugleich angekommen ist in seinem ureigensten Terrain. Egal, wie fortgeschritten man sonst auf seinem Instrument schon sein mag, wenn man mit Improvisieren beginnt, ist man erst mal Anfänger. Wolfgang Weis ist deshalb überzeugt, dass Orgelschülerinnen und -Schüler, um unnötigen Frust zu vermeiden, früh mit dem Improvisieren beginnen sollten. Und so lehrt Wolfgang Weis in erster Linie Orgelimprovisation in Verbindung mit Musiktheorie und legt im Tonsatzunterricht besonderen Wert darauf, dass kein abgehobenes Theoriegebäude vermittelt wird. Wolfgang Weis versteht das Fach klavierpraktisch: Wie beim Spracherwerb in der Kindheit werden erst tonsetzerische Vokabeln, dann Redewendungen und schließlich größere formale Zusammenhänge aufgenommen und sofort in den aktiven Wortschatz überführt. „Viele Unterrichtsinhalte, die ich früher mühsam im Improvisationsunterricht vermitteln musste, haben jetzt ihren Platz im Tonsatzunterricht, wo sie auch hingehören“, meint er und zitiert den französischen Organisten, Komponisten, Musikpädagogen und Musikschriftsteller Marcel Dupré: „Wer improvisieren möchte, muss zunächst harmonisieren können“.
Bereits jetzt leisten einige nebenberufliche Kirchenmusiker, die Wolfgang Weis mit ausgebildet hat, ihren Beitrag in den Gemeinden. Im Sommer machen dann die ersten Bachelor-Studierenden, die er von Beginn an begleitet hat, Ihren Abschluss. So wird die Arbeit von Wolfgang Weis in der Diözese und darüber hinaus spürbar werden und ihre Früchte tragen.
(Luise Wunderlich)